Hintergrund

In Deutschland werden jährlich etwa 27 Mio. Tonnen Getreide zu Futterzwecken eingesetzt. Wegen des hohen Gehaltes an Stärke ist Getreide eine sehr bedeutende Energiequelle in Rationen für Nutztiere. Der Gehalt an Rohprotein in Getreide ist mit etwa 9 bis 14% im Vergleich zu proteinreichen Futtermitteln zwar nicht hoch. Bei hohen Anteilen im Mischfutter oder in der Ration deckt das Getreide aber dennoch einen sehr großen Anteil des Bedarfes an Aminosäuren ab. Auch bezüglich der Versorgung mit Phosphor ist Getreide quantitativ sehr bedeutend.

Eine umfassende chemisch-analytische Charakterisierung von Futtermitteln hinsichtlich wertgebender und unerwünschter Inhaltsstoffe ist für die Optimierung des Mischfutters und der Fütterung unerlässlich, in vielen Fällen bislang aber unzureichend dokumentiert. Der Futterwert hängt zudem maßgeblich von Faktoren ab, welche die Verdaulichkeit und Verwertung von Nährstoffen durch das Tier beeinflussen, und die durch chemische Analysen allein nicht beschrieben werden können. Standardisierte Verdaulichkeitsbestimmungen sind seit langem ein unverzichtbares Werkzeug der energetischen Futterbewertung für alle bedeutenden landwirtschaftlichen Nutztiere, und sie sind in den zurückliegenden Jahren durch verschiedene innovative wissenschaftliche Ansätze ergänzt worden.

Die verstärkte Nutzung von Getreide für die Gewinnung von Ethanol ist mit dem Anfall großer Mengen proteinreicher Koppelprodukte verbunden, die in der Tierfütterung sinnvoll genutzt werden können. Eine zukünftig weiter zunehmende Konkurrenz um Getreide ist ebenso wahrscheinlich wie es Veränderungen im Futterwert des Getreides durch den Klimawandel und den Anstieg der CO2-Konzentration in der Luft geben wird.

Stärke ist die dominierende Fraktion im Getreidekorn. Bei einem insgesamt hohen Niveau der Verdaulichkeit variiert die Qualität der Stärke, was für die Fütterung und die Futterbewertung sehr wichtig ist, weil dadurch die energetische Effizienz der Futterausnutzung wesentlich determiniert wird. Für das Schwein und in zunehmendem Maße auch für das Geflügel ist bekannt, dass die praecaecale (pc) Verdaulichkeit der Stärke aus Getreide zwischen Kulturarten und Sorten unterschiedlich ist. Extrem groß sind die Unterschiede in der pc Verdaulichkeit beim Pferd. Beim Wiederkäuer ist der mikrobielle Abbau in den Vormägen, insbesondere dessen Geschwindigkeit, ein wichtiges Kriterium bei der Rationsplanung und für die Aufrechterhaltung eines physiologisch günstigen Milieus in den Vormägen.
Wegen der hohen Fermentierbarkeit ist die Stärke zudem ein wichtiges Substrat für die Bildung mikrobiellen Proteins im Pansen.

Im Hinblick auf die Bewertung der Proteinqualität von Futtermitteln hatte es in den vorangegangenen Jahren erhebliche wissenschaftliche Fortschritte bei fast allen landwirtschaftlichen Nutztieren gegeben. Für die Ernährung der Wiederkäuer sind die Kinetik des Proteinabbaus im Pansen und die Neusynthese mikrobiellen Proteins die wichtigen Säulen der Proteinbewertung. Für das Schwein und Nutzgeflügel ‑ und perspektivisch auch für das Pferd ‑ ist es die pc Verdaulichkeit der Aminosäuren. Bei konsequenter Anwendung entsprechender Proteinbewertungssysteme wird eine höhere Effizienz der Proteinausnutzung erreicht, da verschiedene Proteinquellen im Hinblick auf die Bedarfsdeckung genauer kombiniert bzw. mit freien Aminosäuren ergänzt werden können. Dies führt zur Einsparung von Futterprotein und mindert die Notwendigkeit des Imports proteinhaltiger Futtermittel.

Phosphor liegt im Samen des Getreides überwiegend als Phytin vor. In dieser Form ist Phosphor für Schweine und das Nutzgeflügel nur sehr begrenzt verdaulich. Zudem variiert die Verdaulichkeit sehr stark in Abhängigkeit von der Aktivität pflanzeneigener Phytase in den Futtermitteln oder dem Einsatz mikrobieller Phytasen als Futterzusatzstoff. Mit der Bewertung auf der Basis des verdaulichen Phosphors (vP) wird dieser Variation beim Schwein Rechnung getragen. Für das Nutzgeflügel ist ein Bewertungssystem in der Phase der wissenschaftlichen Entwicklung.

Für eine effiziente Verwertung des Getreides als Futtermittel hat die Getreidebearbeitung (Art und Intensität der Zerkleinerung und weitere technologische Prozesse mit unterschiedlich hohem Energieeintrag) eine erhebliche Bedeutung. Die Partikelgrößen und ihre Verteilung im Mischfutter nehmen insbesondere Einfluss auf Umfang und Lokalisation der Verdauungsprozesse, mit entsprechenden Konsequenzen für den energetischen Nutzen für das Tier. Schließlich beeinflusst die „physikalische Struktur“ des Mischfutters, die erheblich durch den Vermahlungsgrad des Getreides bestimmt ist, auch die Verträglichkeit des Mischfutters (z.B. Magenulzera bei Schweinen) und die Disposition für Infektionen des Magen-Darm-Trakts (z.B. Salmonellenprophylaxe). Art und Intensität der Getreidebearbeitung sowie die nachgelagerten Prozesse der Mischfutterherstellung müssen unter dem Aspekt Effizienz (Aufwand und dabei möglicher zusätzlicher Ertrag) als wichtige Bestandteile einer umfassenden Verfahrenskette beurteilt werden und sich nicht nur auf Effekte beschränken, die eine Verbesserung der Nährstoffverdaulichkeit oder des Futteraufwands je kg Zuwachs zum Ziel haben.